HOFER FILMTAGE – MITTWOCH

Ein Tag bei den 44. Internationalen Filmtagen Hof

von Christoph Meyer

I.

 

 

 

 

 

 

 

Drei Jahre hat es gedauert, bis er es endlich nach Hof geschafft hat: Bob Rafelson. Der Regisseur, dem die diesjährige Retrospektive gewidmet ist, ist einer der bedeutensten Vertreter des New Hollywood. Zusammen mit z.B. Peter Bogdanovich oder Dennis Hopper, revolutionierte er das amerikanische Kino, bzw. die Art, wie Filme in Amerika gemacht werden. Gemeinsam mit seinem engen Freund Jack Nicholson, der in fast allen seinen Filmen der Hauptdarsteller ist und sie teilweise sogar ko-produziert hat, schuf er eine beachtenswerte Filmografie. Nachdem seine Musikkomödie „Head“ mit den Monkees (!), die Werkschau eröffnete, folgt nun sein zweiter Film „Five Easy Pieces“ von 1970.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FIVE EASY PIECES (dt. Ein Mann sucht sich selbst)

Robert, ein ehemaliger Konzertpianist aus gutbürgerlichem Haus, hat seine Heimat verlassen um sich mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen. Als er erfährt, dass sein Vater schwer krank ist, fühlt er sich nach mehr als drei Jahren gezwungen, zurückzukehren.

Es ist ein Film im Stile des New Hollywood, er handelt von der ewig währenden Suche, vom nicht verwirklichten amerikanischen Traum, der demystifiziert wird. Von der ewigen Freiheit, die innerer Zwang zu sein scheint und als Geißelnehmer des persönlichen Willens agiert. Die Suche nach der eigenen Freiheit, nach dem Platz im weiten Amerika, nach der eigenen Identität, passiert unabhängig der Vergangenheit und wird zur nie enden wollenden Suche. Robert ist sozusagen ein Getriebener, der am Ende sogar seine schwangere Frau verlässt, um weiter nach sich selbst zu suchen.

Ein revolutionärer Film, der zusammen mit Boganovichs „Last Picture Show“ und Dennis Hoppers/Peter Fondas „Easy Rider„, das System Hollywood komplett umkrempelte und der zu unrecht aus dem allgemeinen Filmkanon hierzulande verschwunden ist. „Five Easy Pieces“ ist ein Meisterwerk, das Jack Nicholson durch seine superbe Schauspielleistung, endlich als ernstzunehmenden Schauspieler etablierte und Bob Rafelson zu einem der wichtigsten Vertreter neuer, junger Regisseure in Amerika machte.

II.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ATME (Magoscha Siwinska, Nicki Durand)

Der zweite Film des heutigen Tages ist „Atme„, der Debütfilm von M. Siwinska und N. Durand, dem man leider den Debütfilmcharakter sehr anmerkt. Die zurückliegende Geschichte der Beziehung zwischen Johanna und Nick, die zerbricht, als ihre gemeinsame Tochter stirbt, wird immer wieder unterbrochen durch eine Handlung in Finnland, wo Johanna von Karl, wieder ins Leben zurückgeführt wird, sie sozusagen resozialisiert wird.

Die Idee, das Gleichnis in Finnland in Parallelmontagen zur Vergangenheit zu erzählen, ist zwar interessant, aber zu rätselhaft umgesetzt, als dass sie ihre Wirkung entfalten könnte. Auch das Drehbuch zeigt Schwächen, wirkt zu konstruiert, um die Beziehung authentisch wirken zu lassen.

Leider ist „Atme“ ein Film, der von einer guten Idee leben muss, die schlecht umgesetzt wurde. Auch einige sehr schöne Szenen schaffen es nicht, die Mittelmäßigkeit dieses Films auszubügeln.

III.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CARLOS (Olivier Assayas)

Carlos“ erzählt 20 Jahre aus dem Leben der berühmt-berüchtigten Terroristen Ilich Ramirez Sánchez, der unter anderem für die Geißelnahme der OPEC- Vertreter in Wien verantwortlich war.

Olivier Assayas Mini-Serie, wurde in Hof erstmals in der um rund zwei Stunden gekürzten Kinofassung vorgestellt. Ich kann mich nur dem Festivalleiter Heinz Badewitz anschließen und sagen, dass „Carlos“ der beste Film ist, der jemals über Terrorismus gedreht wurde. Ein Meisterwerk, dass den internationalen Terrorismus seziert, ihn als das entlarvt, was er ist: korrupt, geldgierig und menschenverachtend. Carlos wird nicht als politischer Idealist gezeigt, sondern als selbstverliebter Revolverheld, dessen politische Ziele durchwegs undurchsichtig sind.

Der logistische Aufwand, den man an der wahnsinnigen Länge des Abspanns sieht, hat sich gelohnt, für diese gesamteuropäische Produktion, die nicht nur durch Genauigkeit und Spannung besticht, sondern auch durch außergewöhnliche Optik und enorme Leistungen der Schauspieler.

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